Streetfood? Klingt erst einmal nach einer modernen Erfindung – kommt doch heute kaum eine Stadt ohne Streetfood-Festival aus. Was man aber weniger vermuten würde: Auch im Mittelalter kannte man das Konzept der "mobilen Imbissbude" auf Rädern schon. Das Konstanzer Konzil gibt uns hierfür die Vorlage.
Das Konzil von Konstanz tagte von 1414 bis 1418. In der Stadt am Bodensee lebten normalerweise rund 6'000 Menschen. Während des Konzils waren jedoch um die 70'000 Besuchende in der Stadt anwesend. Dies bedeutet, dass ein riesiger Mehraufwand für die Versorgung der Stadtbevölkerung und vor allem der Konzilsbesuchende anfiel. Nicht zuletzt musste die Versorgung mit Essen sichergestellt werden. Doch zunächst: Woher wissen wir, wie es in Konstanz auf dem Konzil zu und herging?
Die Konzilschronik
Eine der bedeutendsten und wichtigsten Quellen zum Konzil ist die Konzilschronik von Ulrich Richental. Ulrich Richental war als Sohn des Stadtschreibers von Konstanz 1360 geboren worden. Als Bürger der Stadt hatte er es vermutlich als Kaufmann zu Wohlstand gebracht und besass Haus- und Grundeigentum.
Ulrich Richental hatte das Konzil in all seinen Facetten selber miterlebt und viele der Gegebenheiten, die sich rund um die Kirchenversammlung abgespielt hatten, mit eigenen Augen gesehen.
Einige Jahre später begann er nach 1420 mit der Verfassung der Konzilschronik. Mit seinen Beschreibungen der Ereignisse, die mit statistischem Material aus städtischen Urkunden und Akten angereichert sind, gibt er einen vielfältigen Einblick in die Geschehnisse des Konzils. Hierbei behandelt er nicht nur die kirchenpolitischen Vorgänge, sondern auch den Alltag in der Stadt zur Zeit des Konzils. In Richentals Auftrag wurde die Chronik mit Wappen und Illustrationen angereichert, welche alle möglichen Situationen zeigen.
"vil främder brotbecken"
Das Alltagsleben darf man sich während der Konzilszeit einigermassen aufregend vorstellen: Immerhin beherbergte die Stadt nun plötzlich das Zehnfache an Menschen verglichen zur regulären Anzahl der Einwohnenden.
Um all diese Leute mit Essen zu versorgen, wurden kreative Lösungen entwickelt. Und hier sind wir nun wieder beim mittelalterlichen Streetfood angelangt. Bei der grossen Nachfrage nach Verpflegung witterten nicht nur die Konstanzer Bäcker ein gutes Geschäft, sondern auch "främder brotbecken" wollten ein Stück vom Konzilskuchen abhaben. So liessen sie sich etwas Ausgefallenes einfallen: den mobilen Backofen auf Rädern!
Bei den Abbildung in der Augsburger Ausgabe der Chronik steht folgende Beschreibung:
"[…] darzu waren auch vil främder brotbecken zu Constencz die stättgebuch ûff dem markt buchent und der von Constencz brotbecken auch Buch waren brotbecken zu Constencz die hetten ringe und claine öffenlin die furten sy uff stosskärlin durch die stat und buchend darinn bastetten und ring und brätscheller und söllich brotten dero warend etlich erfüllet mit hünern etlich mit vogeln gewurz mit gutter Spetzerey und etlich mit flaisch und etlich mit vischen gebachen wie die einer gern wolt haben dero fand man genug in geleichen und gutem kauff und darnach sy danketlich waren tun einer kauffen wolt und ist dise figur.
Wie man basteten in der stat costencz umbfuret unnd die fail het."
(Augsburger Ausgabe von Anton Sorg, Augsburg 1483, 25v.)
Auf Stosskarren fuhren die fremden Bäcker ihre kleinen Öfen durch die Stadt. In den Öfen wurde währenddessen gebacken und die Backwaren direkt auf der Strasse verkauft. Im Angebot gab es Brote, Bretzel und Pasteten mit verschiedensten Füllungen – von Hühnern über Fleisch bis zu Fischen. Die Konzilsbesucher kamen offenbar auf ihre Kosten!
Die Chronik ist in verschiedenen Versionen überliefert, sowohl in Drucken als auch in Abschriften, teilweise illustriert und teilweise ohne Bilder. Allein 17 Abschriften, also handschriftliche Kopien, sind erhalten. Die meisten davon entstanden in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
In den mit Bildern versehenen Ausgaben (z.B. Konstanz 1464 oder Cod. Ettenheim-Münster um 1500) ist der mobile Backofen jeweils leicht anders dargestellt. Die Grundstrukturen sind aber dieselben. Die Urschrift von Richentals Chronik ist übrigens heute verloren.
Rezept für eine Fischpastete
Ist Ihnen beim Lesen das Wasser im Munde zusammengelaufen? Dann haben wir hier etwas für Sie: ein spätmittelalterliches Rezept für eine Fischpastete. Das Rezept stammt aus der Basler Rezeptsammlung, einer Handschrift aus dem späten 15. Jahrhundert.
Zutaten Teig
- 250g Mehl
- ½ EL Salz
- 100g Butter oder Schmalz
- 1dl Wasser
- 1 Ei zum Bestreichen
Zutaten Füllung
- 500 g Fisch, z. B. Forellenfilet
- 1 EL Butter oder Schmalz
- 10 g frischer Ingwer, gehackt
- 2 EL Petersilie, gehackt
- 5 Blätter Salbei, gehackt
- 1 dl Weisswein
- 3 Safranfäden, gemörsert
- 1 EL Mehl
- Salz
- Pfeffer
So geht es:
- Für den Teig Mehl und Salz in einer Schüssel mischen. Butter langsam in einer Pfanne schmelzen und Wasser beigeben. Danach die Flüssigkeit in die Schüssel zum Mehl beigeben, einrühren und zu einem Teig zusammenfügen.
- Den Teig 1 bis 2 Stunden kühlstellen.
- Für die Füllung den Fisch in Würfel schneiden. Die Butter in einer Pfanne erhitzen, den Ingwer kurz andünsten, danach den Fisch und die Krauter beigeben und weiterdünsten. Mit Weisswein ablöschen und ungefähr 10 Minuten köcheln lassen. Den Safran hinzugeben. Das Mehl unterrühren und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Füllung auskühlen lassen.
- Ein Drittel des Teigs für den Deckel abteilen und beiseitelegen. Den restlichen Teig 2 bis 4 Millimeter dick auswallen und in eine eingefettete Pasteten- oder Springform mit einem Durchmesser von ungefähr 16 Zentimetern geben. Einen etwa 7 Zentimeter hohen Rand stehen lassen.
- Die Füllung in die Form geben. Den Teigrand mit etwas Ei bestreichen. Den Teig für den Deckel auswallen und die Pastete damit zudecken, am Rand andrücken und zum Schluss mit einem Messer Schlitze in den Deckel schneiden. Zum Schluss mit Ei bestreichen. Während ungefähr 35 Minuten bei 200 Grad C im vorgeheizten Ofen backen.
Guten Appetit!
Übrigens: Wenn Sie nun Lust bekommen haben, die Fischpastete gleich in einem richtigen Lehm-Backofen auszuprobieren, dann lesen Sie im nächsten Beitrag, wie man einen einfachen spätmittelalterlichen Backofen baut. Anleitung und Tipps inklusive!
Originalrezept:
Ein essen von pastetten vischen
So schup dy visch schon
Und zeuch in ab dy
Haut und hak sie
Clein und kah petter
Lein und saluey dor
Ein und thu dor zu
Pfeffer und ymber und
Saffran und bereit es
Alles mit wein und
Mach eynnen dawmen
Taigk und thu dy visch
Dor ein und geuss den
Umb und umb und
Prich oben ein loch dor
Ein und do fur closter
Leim und la es pachen
Literatur:
- Buck, Martin: "Zur Überlieferung der Konzilschronik Ulrich Richentals",in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, Band 66.1, 2010, S. 93-108.
- Museum Aargau (Hg.): Von birn und mandelkern – Kochen nach mittelalterlichen Rezepten, Baden, 2019.
- Wacker, Gisela: Ulrich Richentals Chronik des Konstanzer Konzils und ihre Funktionalisierung im 15. Und 16. Jahrhundert. Aspekte zur Rekonstruktion der Urschrift und zu den Wirkungsabsichten der überlieferten Handschriften und Drucke, Dissertation, Kassel, 2002.
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