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Schnürleib, Strümpfe, Strohhut – die Damenmode um 1780

Was trugen die Damen im 18. Jahrhundert? Eine Reise in die Kostümgeschichte.

Margaretha Mutach – geborene von Graffenried – weilte zwischen 1777 und 1783 mit ihrem Mann Gabriel Mutach auf Schloss Lenzburg. Gabriel war seines Zeichens Landvogt zu Lenzburg und damit im Auftrag von Stadt und Staat Bern damit beschäftigt, im Amt Lenzburg nach dem Rechten zu schauen.

Wie genau Margaretha ausgesehen hat, vermögen wir mangels eines uns bekannten Portraits von ihr nicht zu sagen. Wir können aber vermuten, was Margaretha auf Schloss Lenzburg an einem ganz normalen Tag getragen haben mag. Wie im Blog-Beitrag zur Mode des späten 15. Jahrhunderts kann die Fülle an Mode und Trends des späten 18. Jahrhunderts ebenfalls nicht umfassend abgebildet werden. Hierfür sind Vielfalt sowie regionale und Standesunterschiede im Hinblick auf die Kleidung zu gross.

Aber wir können uns anschauen, was sie hätte tragen können und was überhaupt alles zur Garderobe einer Dame aus dem Berner Patriziat gehören konnte. Selbst an einem normalen Tag mit eher einfacher Garderobe – ohne Gesellschaften und Theaterbesuche – war dies nicht wenig! Glücklicherweise hat zumindest Margarethe als Frau des Landvogts auf der Lenzburg Zofen und Mägde, die ihr beim Ankleiden zur Hand gehen können.

Chemise und Strümpfe

Als unterste Schicht trägt frau eine Chemise. Die Chemise war eine Art Unterhemd, welches auch als Nachthemd getragen werden konnte. Chemisen waren meist aus feinem weissem Leinen oder, etwas seltener, aus feiner Baumwolle gefertigt und hatten einen einfachen Schnitt, der sich aus Rechtecken und Dreiecken zusammensetzte. Diese Basis-Konstruktion der Chemise war schon seit dem Mittelalter bekannt.

Chemisen waren als Leibwäsche das Kleidungsstück, das direkt auf der Haut getragen wurde, also noch vor dem Schnürleib. Sie dienten, indem sie die Ausdünstungen des Körpers aufnahmen, zugleich als Schutz für die darüber liegenden Kleidungsschichten, die je nach Stoffart nicht allzu oft gewaschen werden konnten. Die Chemisen hingegen wurden entsprechend häufig gewechselt und gewaschen.

Darunter trägt Margarethe Strümpfe, in ihrem Fall aus Seide. Strümpfe wurden von Mann und Frau getragen und waren aus Wolle, Baumwolle oder Seide gefertigt. Um die Strümpfe an ihrem Platz zu halten konnte unter dem Knie ein Band getragen werden – aus Baumwolle, Seide oder gar hübsch bestickt.

Schnürleiber und Korsetts

Die nächste Schicht ist für Silhouette und Sitz der Kleidung im 18. Jahrhundert unerlässlich: Ein Schnürleib. Die Schnürleiber bringen den Oberkörper in eine konische Form und bilden die Grundlage für die darüber liegende Mode. Denn ohne den notwendigen Unterbau ist es schwierig, enganliegende und strukturierte Formen zu erzielen, wie sie im 18. Jahrhundert modisch waren. Zudem halfen Schnürleiber, versteifte Mieder und später Korsette bereits seit dem 16. Jahrhundert, den Oberkörper der jeweils geltenden Mode gemäss zu formen.

Die Schnürleiber des 18. Jahrhunderts und Korsette späterer Jahre waren aber mitnichten Folterinstrumente, dank denen die Damen ständig ohnmächtig darnieder sanken. Sie gehörten schlichtweg zur Kleidung dazu. Und auch mancher modische Herr trug Korsett, um eine modische Silhouette und bessere Haltung zu erzielen. Das berüchtigte enge Schnüren wurde vor allem im späten 19. Jahrhundert praktiziert, aber vor allem von einigen wenigen "Fashion Victims" – wie man sie heute nennen würde – und nicht von der breiten Masse.

Die Schnürbrüste und Schnürleiber des 18. Jahrhunderts bestanden aus mehreren Schichten Leinen und Oberstoff, beispielsweise Seide oder Wolle, und waren mit Fischbein oder Peddigrohr verstärkt. Bei manchen Exemplaren findet sich vorne zur zusätzlichen Verstärkung der gewünschten geraden Linie ein Blankscheit aus Holz, Horn oder sogar Elfenbein. Erst im Laufe des späten 19. Jahrhunderts wurde in der Korsetterie zunehmend Federstahlband verwendet.

Schuhe

Margaretha trägt Schuhe aus rotem und weissen Leder. Zusammengehalten werden die Schuhe mit einer Spange. Diese Spangen waren, je nach Geldbeutel des Trägers oder der Trägerin, entweder einfach und schmucklos aus Metall oder aus teurerem Material und mit Schmucksteinen verziert. Die Schuhe waren auf dem gleichen Leisten gearbeitet, es gab also noch keine rechten und linken Leisten. Sowohl Männer- als auch Frauenschuhe wiesen einen Absatz auf, wobei aber die Absätze im ausgehenden 18. Jahrhundert zunehmend flacher wurden.

Die Schuhe wurden aus einer Vielzahl von Materialien gefertigt: Leder, Leinen, Wollstoff oder sie waren gar mit Seidenstoff passend zum Kleid überzogen. Ähnlich wie die sie zusammenhaltenden Spangen konnten Schuhe einfach oder reich und teuer verziert daherkommen.

Weitere Hilfsmittel: Poschen, Panniers und Kissen

Um die gewünschte Silhouette mit schmaler Taille und ausgestelltem Rock zu erzielen, gibt es zusätzliche Hilfsmittel, deren sich die Damen bedienen konnten: So genannte Poschen, Panniers oder ab dem späten 18. Jahrhundert zunehmend auch gepolsterte Hüftkissen. In unserem Fall trägt Margaretha ein hinten geteiltes Kissen unter dem Kleid.

Unterrock

Unter dem Kleid wurden Unterröcke getragen. Sie konnten aus Baumwolle, Leinen oder sogar aus Seide gefertigt sein. Hier wird ein einfacher Unterrock aus Baumwolle getragen. Die Unterröcke und auch die Röcke waren oft aus zwei rechteckigen Stoffstücken hergestellt, welche vorne und hinten je an ein Taillenband gefältelt werden. Dann werden einfach der hintere Teil vorne und der vordere Teil hinten zugebunden.

Kleid

Margarethas Kleid ist eine so genannte Robe Ronde, bei welcher Oberteil und Rock zusammengenäht sind. Dies ist eine der einfachsten und stoffsparsamsten Konstruktionsmöglichkeiten für ein Kleid. Ein wenig anders sähe beispielsweise eine Robe à l'Anglaise aus, bei welcher das Oberteil mit angesetztem hinterem Rockteil (ähnlich wie ein Mantel) über einem separaten Rock getragen wird. Die Robe Ronde ist aus einem Indienne-Stoff gefertigt. Indiennes sind bedruckte Baumwollstoffe, die ursprünglich aus Indien eingeführt wurden.

Im 18.  Jahrhundert wuchs die Begeisterung für Indiennes so stark, dass Tausende in Heimarbeit türkische Baumwolle spannen und webten. In den Aargauer Landstädten eröffneten Indienne-Druckereien.  Glaubensflüchtlinge aus Frankreich – die Hugenotten – hatten diese Druck-Technik in die Eidgenossenschaft gebracht. Diese Zeugdruckereien waren übrigens die ersten Fabriken bei uns. Bunte, vielfarbige Blumendrucke, wie Margaretha sie trägt, waren sehr gefragt.

Margarethas Kleid wird vorne einfach mit Stecknadeln zugepinnt. Ja – das ist tatsächlich eine historische belegte Methode, das Kleidungsstück vorne zu schliessen, und nicht etwa auf eine zerstreute Schneiderin zurückzuführen, welche die Stecknadeln im Kleid vergessen hat. Natürlich konnten die Kleider aber auch mit Haken und Ösen oder mit verdeckten Schnürungen geschlossen sein. Die grosse Mehrheit der Kleider des 18. Jahrhunderts wurden übrigens vorne geschlossen, und nicht, wie oft in Film und Fernsehen zu sehen, hinten geschnürt, auch wenn diese Methode bei bestimmten Kleidern vorkam.

Frisur: Haarpomade und Puder

Margarethas Haare sind mit Pomade und Puder frisiert. Dies hilft, die teilweise aufwändigen Frisuren noch vor den Zeiten von Haargel und Haarspray gut in Form zu bringen. Heller oder gräulich gepudertes Haar war zudem im Mode. Die Behandlung mit Pomade und Puder gehörte bei vielen zur regelmässigen "Haarroutine" dazu. Und nein – Ungeziefer nistet keines in Margarethas Haarschopf! Dafür sorgen die regelmässige Pomaden-Puder-Behandlung sowie, wenn auch bedeutend seltener, Waschen. Haarpomade pflegte das Haar.

Die Bestandteile derselben sind allerdings für den modernen Menschen etwas gewöhnungsbedürftig: Sie bestand nämlich aus tierischen Fetten. Zum Beispiel Schweinefett, mit einem niedrigen Schmelzpunkt, und Schafstalg, der ziemlich bröckelig war und einen höheren Schmelzpunkt aufweist, wurden gerne gemischt. Natürlich wurden die Fette vorher gereinigt. Für den guten Duft wurden essentielle Öle beigefügt. Diese halfen zusätzlich gegen Ungeziefer: Zitrusfruchtöle oder Nelkenöl halfen sehr effektiv gegen Läuse und sonstige ungebetenen Gäste auf dem Haupt.

Haube und Hut

Auf dem Haupt trägt frau eine Haube oder einen Hut. In Margarethas Fall ist es ein Strohhut – eine so genannte Bergère. Diese geflochtenen Strohhüte kamen im 18. Jahrhundert im Zuge der Schäferromantik schwer in Mode. Sie hatten in der Regel eine breite Krempe sowie eine flache Krone und konnten mit Seidenbändern oder künstlichen Blumen verziert sein. Man trifft diesen Typ Hut auch heute noch als Bestandteil einiger Schweizer Trachten an.

So ausgestattet kann Margarethe nun im Schlosshof nach dem Rechten sehen oder einen kleinen Spaziergang um den Schlosshügel unternehmen.

Verwendete und weiterführende Literatur und Webseiten

  • Arnold, Janet: Patterns of Fashion 1 – Englishwomen's dresses and their construction c. 1660-1860, London, 1977.
  • Baumgarten, Linda; Watson, John; Carr, Florine: Costume Close-Up – Clothing Reconstruction and Pattern 1750-1790, Williamsburg, 1999.
  • Kyoto Costume Institute: Fashion – Eine Modegeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert, Köln, 2015.
  • Stowell, Lauren; Cox, Abby: The American Duchess Guide to 18th Century Beauty, Salem, 2019.
  • Stowell, Lauren; Cox, Abby: The American Duchess Guide to 18th Century Dressmaking, Salem, 2017.
  • Weber, Paul: Schuhe. Drei Jahrtausende in Bildern, Aarau, Stuttgart, 1994.
  • Waugh, Nora: The Cut of Women's Clothes 1600 – 1930, London, 1968.
  • www.lessoireesamusantes.com/blog – Blog des Vereins "Les Soirées Amusantes", der sich mit der Salonkultur des 18. Jahrhunderts befasst. Auf dem Blog sind unter anderem Beiträge zur Mode und zur Rekonstruktion bestimmter Kleidungsstücke zu lesen.
  • www.marquise.de – Seite zur Kostümgeschichte vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert mit besonderem Fokus auf die Kostümgeschichte des 17. Und 18. Jahrhunderts.

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Von Gabriela Gehrig

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