Die Erfindung der Bahn als neues Transportmittel prägte das 19. Jahrhundert wie kaum eine andere technische Errungenschaft. Mit dem Schweizer Bahnnetz kam die Mobilität der Massen: Frühere Distanzen verwandelten sich nun zum Katzensprung.
Die bereits ab 1910 mit Elektrizität betriebene Seetalbahn beförderte Passagiere in kürzester Zeit von einem Kanton in den nächsten. In der Sammlung von Museum Aargau befindet sich das Plakat mit dem ersten offiziellen Fahrplan der "Seethal-Bahn".
Farblithografie von 1884
Die auf Papier gedruckte Farblithografie von 1884 (92 cm x 70 cm) zeigt unter der Überschrift "Aargauisch-Luzernische Seethal-Bahn" die Bahnlinie von Lenzburg bis Luzern aus der Vogelperspektive. Abgebildet sind etwa der Hallwiler- und Baldeggersee mit einem imposanten Alpenpanorama im Hintergrund. Quer über das Bild reicht ein Apfelblütenzweig, auf dem ein singender Vogel sitzt. Neben Ansichten einzelner Dörfer entlang der Bahnlinie gehören die Schlösser Lenzburg, Hallwyl und Heidegg zu den zentralen Motiven.
Die in zwei Wappen abgebildeten Frauen in der Luzerner- bzw. Aargauertracht verdeutlichen die Absicht der Seetalbahn, die beiden Kantone zu verbinden. Auf der rechten Plakatseite befindet sich der erste offizielle Fahrplan mit allen Haltestellen und Abfahrszeiten in beiden Richtungen.
Ankauf aus einem Aargauer Antiquariat
Das Objekt gelangte 2002 durch einen Ankauf aus einem Aargauer Antiquariat in die kantonale Sammlung. Entworfen wurde das Plakat von Ottokar Kodym, welcher Professor für Grafik in Berlin war. Gedruckt wurde es von der "Graphischen Anstalt Hofer & Burger" in Zürich.
Die Farblithografie ist für die Historische Sammlung nicht nur wegen der Seetalbahn als Institution von grosser Bedeutung, sondern auch aus einem weiteren Grund: Die Strecke wurde 1895 bis Wildegg verlängert und verband somit die Schlösser Hallwyl, Lenzburg und Wildegg, drei wichtige Standorte des Museum Aargau.
Die Seetalbahn
Auslöser für die Idee einer Eisenbahn zwischen Lenzburg und Luzern war der Entscheid der Schweizerischen Centralbahn, die Verbindungstrecke Basel-Olten-Luzern über Sursee und nicht durch das Seetal zu führen. Der Zürcher Ingenieur Theodor Lutz (1841-1890) konnte 1882 Londoner Finanzleute für die Errichtung einer Seetalbahn gewinnen: Die Lake Valley of Switzerland Railway Company war geboren und 1893 wurde die erste Strecke zwischen Emmenbrücke und Lenzburg eröffnet.
Das grosse Geschäft blieb jedoch zunächst aus und die englischen Investoren verkauften die Bahn 1894 an die neu gegründete "Schweizerische Seethalbahn-Gesellschaft". Diese machte mit diversen Innovationen auf sich aufmerksam. 1903 schaffte sie als erste Eisenbahngesellschaft drei Buffetwagen an, 1910 stellte sie bereits auf Elektrizität um und führte ab 1913 Schnellzüge. 1922 erwarben die SBB die lukrative Regionalbahn. Die Seetalbahn geriet andererseits auch in die negativen Schlagzeilen: Weil ihre Schienen direkt neben der Strasse verlaufen und es zahlreiche (ungesicherte) Bahnübergänge gibt, macht sie bis heute in regelmässigen Abständen mit Verkehrsunfällen und den damit zusammenhängenden Streckenunterbrüchen auf sich aufmerksam.
Der Verein "Historische Seethalbahn" pflegt seine Schmuckstücke in einem ehemaligen Lokomotiven- und Wagendepot in Hochdorf. Eines davon ist das legendäre "Seetalkrokodil" (De 6/6 Nr. 15301).
Dieser Beitrag wurde im Mai 2018 von Jean-Luc Rickenbacher, ehemaliger Praktikant der Sammlung von Museum Aargau, verfasst.
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