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Die Entstehungssage der Habsburg: Zwischen Mythos und politischem Kalkül

Aus der Sage zum Bau der Habsburg lässt sich einiges herauslesen, das auf den ersten Eindruck im Verborgenen liegt. Der Beitrag begibt sich auf die Spur der unterschiedlichen Bedeutungsstränge des Ursprungsmythos und erklärt deren Nutzen für die Habsburger.

Die Sage zur Entstehung der Habsburg, die der Dynastie der Habsburger ihren Namen gab, ist schnell erzählt. In ihrer verbreitetsten Version handelt die Geschichte vom frühhabsburgischen Grafen Radbot, der auf der Jagd seinen abgerichteten Habicht verloren haben soll. Er fand den Vogel erst nach langer Suche auf dem Wülpelsberg wieder, einem Jurahöhenzug im heutigen Kanton Aargau. Der Ort erschien ihm als idealer Standort für eine Burg. Darauf lieh er sich Geld von seinem Bruder Werner, der Bischof von Strassburg war, um an eben jener Stelle eine Burg zu errichten.

Anstatt das Geld vollständig in sein Bauvorhaben zu stecken, nutzte Radbot es auch dafür, die Beziehungen zu seinen Gefolgsleuten im Umland zu stärken. Als ihn sein Bruder Werner eines Tages besuchte, um die erbaute Burg zu begutachten, war er zunächst enttäuscht. Der Bau imponierte ihm wenig und er wunderte sich, wohin all sein Geld geflossen war.

Über Nacht liess Radbot all seine Gefolgsleute mobilisieren und als die beiden Brüder am nächsten Morgen erwachten, war das Land um die Burg voll mit Menschen. Herren, Ritter und Knechte, alle hatten sie ihre Zelte im Feld aufgeschlagen. Werner fürchtete sich, dass sie belagert worden seien. Radbot erklärte ihm, dass das Gegenteil der Fall sei. Diese Menschen seien die tatsächlichen Mauern, die er gebaut habe. Bischof Werner gab Radbot Recht und zeigte sich sehr zufrieden. In Gedenken an seinen Lieblingsvogel nannte Graf Radbot die Burg "Habichtsburg". Im alltäglichen Wortgebrauch wurde daraus im Laufe der Zeit "Habsburg".

Herrschaftslegitimationen 

Mittelalterliche Ursprungssagen wie jene zur Habsburg erzählen einiges über ihre Entstehungszeit. Mit Hilfe symbolträchtiger Erzählungen legitimieren sie die Herrschaftsansprüche der betreffenden Adelsfamilie. In der Sage zur Habsburg wird die Herrschaft der Habsburger so dargestellt, dass letztere auf die Zusammenarbeit mit allen Bevölkerungsschichten abgestützt ist. Radbot erscheint so als weiser Anführer. Er zieht gute Beziehungen zu seinen Untertanen einer imposanten Burg vor, was seine eigene Herrschaft gerecht erscheinen lässt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Geschichte ist das mystische Element des Habichtflugs, der die Lage der Habsburg bestimmt haben soll. Solch schicksalshafte Begebenheiten verleihen einer adligen Familiengeschichte eine übernatürliche Komponente. Dass die Habsburger über andere Menschen bestimmen, erscheint so als überirdische, gottgewollte Tatsache.

Römische Habsburger?

In der Ursprungssage zur Entstehung der Habsburg versteckt sich auch ein Motiv, das über die Jahrhunderte der habsburgischen Familiengeschichte hinweg bedeutend blieb: Die angebliche Abstammung der beiden Brüder Radbot und Werner von einem alten römischen Adelsgeschlecht. Es die einzige Angabe zur Herkunft der beiden Brüder in der Sage. Die Forschung vermutet, dass dieses Element einer römischen Abkunft erst im 12./13. Jahrhundert Teil der Ursprungssage wurde. In den nachfolgenden Jahrhunderten wurde dieses Detail zigfach in ihren dynastischen Erzählungen zitiert und intensiviert.

Dass die Habsburger als Abkommen eines römischen Geschlechts dargestellt wurden, war ein Kunstgriff, um mögliche Zweifel am glorreichen Ursprung der Dynastie zu widerlegen. Dies war zur Zeit ihres Aufstiegs in die oberste Riege der europäischen Adelsgeschlechter für die Habsburger essenziell. Die Habsburger gehörten nämlich nicht zum engeren Reichsfürstenstand und hatten keine verwandtschaftlichen Beziehungen mit den alten königlichen Häusern aufzuweisen. Der Mangel hochedler Herkunft der Habsburger wurde so mit einer angeblich römischen Herkunft wettgemacht.

Adelige Selbsterzählungen

Die Anknüpfung an eine römische Vorgeschichte war typisch für die Selbsterzählungen der Adelsgeschlechter des im 10. Jahrhundert entstehenden Heiligen Römischen Reiches. Der Name "Heiliges Römisches Reich" leitet sich vom Anspruch dessen mittelalterlicher Herrscher ab, die Nachfolger der antiken römischen Kaiser und die universalen, weltlichen Oberhäupter der Christenheit zu sein. Wenig überraschend wurde in den Eigenerzählungen vieler germanischen Adelsfamilien ans Römertum angeknüpft.

Unter dem habsburgischen Kaiser Maximilian I. von Österreich wurde zu Ende des 15. Jahrhunderts die römische Herkunftslegende noch weiter in die Vergangenheit gesponnen. Eigens angestellte Hofhistoriographen erarbeiteten eine dynastische Rückführung des Habsburger-Stammes bis hin zu den Trojanern. Eine Version, welche die habsburgische Dynastie nicht nur bis auf den trojanischen König Priamus, sondern sogar bis zum biblischen Noah zurückführte, wurde hingegen wohl aufgrund der Einwände der Wiener Theologischen Fakultät nicht gedruckt.

Gesichertes Wissen

Kenntnisse über den Ursprung der Sage gibt es wenig. Höchstwahrscheinlich basierte die Fabel zum Habichtsflug auf mündlichen Erzählungen, die sich in der Gegend der heutigen Schweiz erzählt wurden, nachdem die Habsburger ihre Herrschaft im Gebiet des heutigen Aargaus ab dem 11. Jahrhundert auszubreiten begannen.

Mit dem Aufkommen einer kritischen Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert löste man sich endgültig von den fabelhaften Ursprungserzählungen. Heute lässt sich mit Sicherheit nur festhalten, dass die Habsburg durch die Frühhabsburger im Rahmen des hochmittelalterlichen Landesausbaus im Raum Brugg errichtet wurde.

Dass die Habsburger danach konstant an Macht gewinnen konnten, hat unter anderem mit dem Aussterben anderer bedeutender Dynastien in derselben Region – der Lenzburger, Zähringer, Rapperswiler und Kyburger – zu tun. Mit dem neuen Fokus auf den niederösterreichischen Raum und dem Wiener Hof als Herrschaftszentrum um 1400 verlor die Sage um die Entstehung der Stammburg an Bedeutung. Die Habsburger fokussierten sich nun darauf, eine unauflösbare Verbindung zwischen dem eigenen Geschlecht und Österreich darzulegen.

Von Mara Jenni

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Kommentare

Miriam Widmer

Sehr interessanter Artikel. Als Bruggerin hat kennt man natürlich die Sage. Eigentlich ist es schade das es "nur" eine Sage ist. Aber schön finde ich sie trotzdem.

Ich bin stolz eine Aargauerin zu sein.

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