Vindonissa (Windisch), Augusta Raurica (Augst), Aventicum (Avenches), Salodurum (Solothurn). Diese und viele weitere Orte in der Schweiz waren einst römische Siedlungen. Noch heute zeugen ihre Namen vom römischen Erbe. Doch wann kamen die Römer in die heutige Schweiz, wie lange blieben sie, und welche Regionen wurden zuerst Teil des Römischen reich?

Die Schweiz – circa 800 Jahre Teil des römischen Reiches
Das Gebiet der heutigen Schweiz wurde vom 2. Jh. v. Chr. bis 13 v. Chr. etappenweise ins Römische Reich eingegliedert und verblieb bis ins 6. Jh. n. Chr. im Römischen Reich. Bereits während der Römischen Republik, also noch vor der römischen Kaiserzeit, wurden erste Gebiete der heutigen Schweiz erobert. Das Gebiet der heutigen Schweiz stellte unter römischer Herrschaft nie eine geschlossene Verwaltungseinheit dar, sondern die einzelnen Teile gehörten zu jeweils anderen Provinzen.

Die Anfänge – Zeitalter der Eroberungen und erste Kolonien
Einer der ersten Orte der heutigen Schweiz, der unterworfen wurde, war Sottoceneri, im Süden des Tessins, zugehörig zum Siedlungsgebiet des gallischen Stammes der "Insuberer". Diese wurden anfangs 2. Jh. v. Chr. unterworfen und erhielten nach mehreren Zwischenetappen 49. v. Chr. das römische Bürgerrecht. Ebenfalls recht früh, gegen Ende des 2. Jh. v. Chr., wurde das Gebiet der "Allobroger" erobert, ihr nördlichstes oppidum war das heutige Genf.
Cäsars Gallienfeldzüge waren der Beginn von Roms Expansion in den Norden. Cäsar besiegte die "Helvetier" 58. v. Chr. bei Bibracte, als diese versuchten, ihr Siedlungsgebiet (das gemäss Cäsar durch den Rhein, den Jura, den Genfersee und durch die Rhone begrenzt war) zu verlassen und drängte sie in ihr Gebiet zurück. 45/44 v. Chr. errichtete Cäsar für ausgediente Kavalleristen eine Kolonie südlich des Gebietes der "Helvetier", die ColoniaIulia Equestris, das heutige Nyon.

44 v. Chr. gründete wohl der General Lucius Munatius Plancus am Ufer des Rheins die Kolonie Raurica, die später unter Kaiser Augustus neu organisiert wurde und fortan Augusta Raurica hiess. Augusta Raurica und die Colonia Iulia Equestris waren zentral für die Romanisierung der Schweiz.
Durch die augusteischen Alpenfeldzüge (25. bis 13. v. Chr.) gerieten die Gebiete der heutigen Schweiz, die bis dahin noch nicht Teil des Römischen Reiches waren, unter römische Herrschaft. Nach dem Sieg wurden bis in die Nordostschweiz vici (Kleinstädte) angelegt und erste Verwaltungsstrukturen eingeführt.
Die Schweiz wird romanisiert – frühe und hohe Kaiserzeit
Nach der Niederlage des Römischen Reiches im Jahre 9 n. Chr. bei der Schlacht im Teutoburger Wald, errichtete das Römische Reich zum Grenzschutz 14. n. Chr. das Legionslager Vindonissa. Der Bau des Lagers belebte die Wirtschaft im 1. Jh. n. Chr. und war wichtig für die immer weiter fortschreitende Romanisierung der Provinzen, deren Unterteilung sich im Verlauf der Zeit immer wieder änderte. Die keltischen Stämme im eroberten Gebiet wurden immer weiter ins Reich integriert.

69. n. Chr. gab es einen Bürgerkrieg, der jedoch nicht, wie gerne erzählt wird, ein letztes Aufbäumen der Helvetier gegen das römische Joch war. Der Grund war das Vierkaiserjahr, in welchem vier verschiedene Kaiser darum kämpften, wer nun der rechtmässige Nachfolger von Kaiser Nero war. Der Stamm der "Helvetier" schloss sich dabei den Unterstützern Galbas an, was zwangsläufig zu militärischen Zusammenstössen mit den Unterstützern von Vitellius, ein weiterer möglicher Kaiser, führte. Als Sieger aus dem Konflikt ging schlussendlich Vespasian hervor. Dass er persönliche Beziehungen zu den Helvetiern hatte, war gut für die Helvetier. Er erhob ihr Gebiet zu einer latinischen Kolonie.
Das Römische Reich eroberte im Norden weitere Gebiete, was schliesslich dazu führte, dass 101 n. Chr. die 11. Legion als letzte Legion aus dem Gebiet der heutigen Schweiz weiter nach Norden verlegt wurde, das Schweizer Mittelland mit Vindonissa und die übrigen Regionen wurden zum Hinterland abseits der Front.
Das 2. Jh. n. Chr. war für die Bewohnerinnen und Bewohner des Römischen Reiches ein Zeitalter des Friedens. Der Fernhandel erlebte einen Aufschwung und die städtischen Zentren und Landregionen genossen einen zunehmenden Wohlstand. 212 n. Chr. erhielten alle freien Bewohnerinnen und Bewohner des Römischen Reiches das Bürgerrecht.

Nicht nur römisch – Reichskrise des 3. Jh. n. Chr. und Spätantike
Gegen Ende des 2. Jh. n. Chr. kam es zu einem weiteren Bürgerkrieg, doch die Situation normalisierte sich danach wieder. 213 n. Chr. wurde zum ersten Mal über einen Einfall der "Alemannen" in der Mainregion berichtet (Stichwort Völkerwanderung). Die Reichskrise erreichte in der Mitte des 3. Jh. n. Chr. seinen Höhenpunkt, das Römische Reich war im Norden und Osten bedroht. Zudem war es auch im Innern aufgrund wiederholter Usurpationen instabil.
Das Römische Reich wurde wiederholt in militärischen Auseinandersetzungen unter anderem mit den "Alemannen" verwickelt, die immer wieder in die germanischen Provinzen und Rätien einfielen. Die Grenze des Reiches wurde wieder weiter in den Süden verlegt, der Rhein bildete abermals die Reichsgrenze und Vindonissa wurde erneut befestigt. Zudem griffen auch die "Westgoten" das Römische Reich an, was dazu führte, dass die Truppen 400 n.Chr. von der Rheinfront abgezogen wurden. Das Gebiet an der Rheinfront wurde schliesslich bestimmten Volksstämmen anvertraut, die sich im Gegenzug vertraglich dazu verpflichteten, das Imperium gegen Eindringlinge zu verteidigen.

Der letzte weströmische Kaiser wurde 467 n.Chr. abgesetzt und seine Macht ging an den oströmischen Kaiser in Konstantinopel über. Das Gebiet des Römischen Reiches, das nördlich der Alpen lag, war nun sich selbst überlassen und "Alemannen" und "Franken" wanderten nach und nach ins Gebiet der heutigen Deutschschweiz ein. Allerdings lösten sich die nördlichen Provinzen erst gegen Ende des 6. Jh. n. Chr. endgültig vom Römischen Reich.
Die Schweiz war nicht "Helvetien" - Schlusswort
Dieser historische Abriss über die Schweiz zur Zeit des Römischen Reiches macht mehrere Aspekte deutlich:
- Gebiete der heutigen Schweiz waren relativ früh Teil des Römischen Reiches.
- Kolonien wie Augusta Raurica, aber auch das Legionslager Vindonissa, waren Triebfedern der Romanisierung.
- Die Unterteilung zwischen der deutschsprachigen Schweiz und den romanischen Sprachgebieten (italienisch, französisch, rätoromanisch) geht ebenfalls auf das Römische Reich zurück. Die romanischen Sprachen kamen mit den römischen Eroberungsfeldzügen in die Schweiz. Die germanischen Stämme der "Alemannen" und "Franken" siedelten sich nördlich der Alpen an, als das Gebiet mit dem Untergang Westroms sich selbst überlassen wurde. Auf die "Alemannen" geht (Schweizer)deutsch zurück.
- Die "Helvetierinnen" und "Helvetier" sind nicht die alleinigen Vorfahren der heutigen Schweizerinnen und Schweizer. Denn das Gebiet der heutigen Schweiz war auch Siedlungsgebiet römischer Bürgerinnen und Bürger, der "Rauriker", der "Allobroger", der "Franken", der "Alemannen" etc.
Literaturverzeichnis
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