Anhand historischer Pläne der Schlossdomäne Wildegg reisen wir zurück in der Zeit und erfahren mehr über die eindrückliche Geschichte des Schlosses. Auch die bedeutende Burgchronik von Sophie von Erlach-Effinger (1766-1840) gibt einige spannende Einblicke in vergangene Zeiten.
Der erste Plan der Schlossdomäne lässt sich nicht genau eruieren. Das Gut wurde nach der Besitznahme durch die Effinger als ein "mittelgrosse[n] Bauernbetrieb[s]" eingeordnet. Auch in den beiden folgenden Jahrhunderten war eine Einschätzung wegen fehlender Quellen schwierig. Erst Anfangs des 18. Jh. existieren Quellenbelege in denen die Effinger das Gut abrunden konnten. Trotz innerfamiliären Teilungen.
Die Schlossdomäne in der Chronik
Die grösste Ausdehnung hatte das Gut um 1770 mit 120 Hektaren. Darin eigeschlossen waren Äcker, Wiesland, Rebstöcke sowie die Domänenbetriebe mit Gewerbe. Sophie von Erlach, die Verfasserin der Burgchronik von Schloss Wildegg, widmet den umliegenden Gütern und Gebäuden nur einen kleinen Abschnitt. Dennoch lassen sich daran bildhaft die Umrisse der damaligen Gestaltung herauslesen.
So schreibt sie etwas abfällig über die Scheune:
Die Scheune, ein Werk von Hans Thüring Effinger (Sophies Ur-Ur-Grossvater väterlicherseits, Anm. d. Verf.) und die Jahreszahl 1661 tragend, ist jetzt alt und baufällig, und da mein Bruder keine Pferdte (sic!) hält, so wird Sie sehr wenig benutzt;
Aber nicht nur zum Zustand der Gebäude berichtet die einzige überlebende Tochter von Niklaus Albrecht (1735-1803) in ihrem scharfsinnigen und detailreichen Text. Auch der Gutshof und die Bewirtschaftung der Felder werden kurz angeschnitten.
Zur heutigen Lindenterrasse schrieb Sophie:
Hier übersieht mein Bruder (Ihr Halbruder Albrecht Ludwig Effinger, genannt Albert, 1773-1853, Anm. d. Verf.) den grössten Theil seiner Güter und beobachtet seine Arbeiter - Sein Auge richtet sich fürnemmlich gerne nach dem Haard, so heisst nämlich eine grosse, etwas entlegene Scheune mit umliegenden Gütern, welche er sehr verbessert hat un im Sommer und Winter einen senn mit 16 Kühen hält.
Von Parzellen und Gütern
Bei einer so grossen Fläche und Umschwung ist es manchmal schwierig den Überblick zu behalten. Dabei können Pläne helfen. Im Gegensatz zu heute, wo die Pläne Satelliten gestützt und GPS gesteuert erstellt werden, war dies früher noch reine Handarbeit. Zudem waren die Masseinheiten von Ort zu Ort verschieden und das Auge oftmals das beste Vermessungsinstrument.
Ein erster Plan der Güter um Schloss Wildegg, mit Bezeichnung der einzelnen Parzellen und Angaben zu deren Flächen, ist uns aus dem Jahre 1790 erhalten. Der oder die Verfassenden dieses künstlerisch wertvoll gestalteten Planes, sind leider nicht bekannt. Bemerkenswert ist aber bereits die Vogelperspektive der Zeichnung. In einer Legende sind die einzelnen Matten und Felder mit Grössenangaben geordnet. Womöglich diente diese Auflistung auch als Berechnungshilfe der Abgaben.
Ein weiterer Plan von Johannes Stähli um etwa 1820, zeigt auch die Besitzungen der Effinger im Hardgut und im Schachen, in der Nähe wo heute die Zementfabrik steht. Dieser Plan besitz einen Massstab, dem sogenannten Berner Fuss. Dieser Massstab wurde auch Berner Schuh genannt: 1 Berner Schuh = 130 Pariser Linien = 0,293254 Meter.
Aus der Chronik der Sophie erfahren wir, dass die heutige Gemeinde Wildegg damals nur "Hellmühly" genannt wurde und im 17. Jh. praktisch nur aus einer Mühle bestand. Später kam dann das Wirtshaus hinzu und gegen Ende des 18. Jh. wurden mehrere Wohnhäuser für eine entstandene Druckerei errichtet.
Zu guter Letzt existiert noch ein Plan aus dem Jahre 2003 von Betriebsleiter Erland Eichmann. Mit Hilfe des GIS Verfahrens wurde die Landschaft gescannt und in Raster unterteilt, worin mit verschiedenen Farben die Umrandung der Domäne eingezeichnet wurde. Auf diesem Plan kann der Waldbestand der Domäne sehr gut verdeutlicht werden.
Die Schlossdomäne blüht wie eh und je
Nicht alle Gebäude und Gewerbe haben auf der Schlossdomäne Wildegg überlebt. Der 1500 erbaute Bauernhof wird seit 1999 von Silvia und Alois Huber geführt. Der Familienbetrieb bewirtschaftet den Gutshof nach den Richtlinien der biologischen Landwirtschaft und im Sinn eines Schaubetriebs.
Angegliedert ist ein kleiner Hofladen mit Produkten aus dem Gutsbetrieb. Der Gutshof selbst besteht aus einem Wohn- und Wirtschaftshaus, Tierställen, einer Zehntenscheune, Pferdestallungen sowie mehreren Kleinbauten und Unterständen.
Im historischen Rebberg von Schloss Wildegg wachsen Trauben nach biologischen Grundsätzen heran. Seit mehr als 400 Jahren werden unterhalb des Schlosses Reben bewirtschaftet und daraus Schlosswein gekeltert. Der Weinbau und -verkauf waren für die Familie von Effinger lange Zeit wichtige Einkünfte.
Der Wein wurde im von Bernhard Effinger (1658-1725) eigens dafür gebauten Gasthof Bären am Fuss des Schlossbergs ausgeschenkt und verkauft. Die von Effinger hatten in der Region das alleinige Weinausschanks- und Handelsrecht. Seit 2019 ist der historische Rebberg an den diplomierten Önologen Matthias Brunner verpachtet. Die Weinmanufaktur setzt auf eine artenreiche biologische Weingarten-Bewirtschaftung.
Literatur
- Furger, Andres: "Schloss Wildegg. Aussenstelle des Schweizerischen Landesmuseums", Schweizerisches Landesmuseum, Zürich, 1994.
- Meier, Bruno: "Gott regier mein Leben". Die Effinger von Wildegg. Landadel und ländliche Gesellschaft zwischen Spätmittelalter und Aufklärung. Baden 2000, S. 129.
- Müller, Felix: [von] Effinger. In HLS. Onlineversion. ( Stand: 12.08.2022, 15.34 Uhr)
- von Erlach, Sophie: "Kleine Burgchronik des Schlosses Wildegg der Sophie von Erlach-Effinger, in der Abschrift ihres Bruders Ludwig Albrecht", Museum Aargau, 2012.
- Wagner, Gustav und Strackerjan, Friedrich Anton: Kompendium der Münz-, Mass-, Gewichts- und Wechselkurs-Verhältnisse. Verlag von B. G. Teubner, Leipzig
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