Fachbücher zu historischen Uniformen und Wappen füllen die Regale der Bibliotheken – und dies nicht zu Unrecht, denn tatsächlich spiegeln derartige Äusserlich- und Förmlichkeiten oftmals entscheidende historische Prozesse und Entwicklungen wider.
Ein seltenes Objekt mit ähnlicher Aussagekraft findet sich auch in der Sammlung des Museum Aargau: eine gut zweihundert Jahre alte Militärtrommel, die auf die Anfänge des Kantons Aargau verweist.
Fluss und Sterne auf Holz
Trommeln in unterschiedlichsten Formen und Grössen gehören zu den ältesten Instrumenten, die im Kriegs- und Militärwesen seit jeher eine Rolle spielten, sei es als Mittel der Kommunikation im Krieg, rhythmusgebend beim Drill- und Marschwesen, oder aber auch für zeremonielle Zwecke bei Paraden und Empfängen.
Im Gegensatz zu den heutzutage meist aus Messing bestehenden Beispielen dieser Bauart, wurde diese Militärtrommel wie für viele Jahrhunderte üblich aus Holz gefertigt. Bemerkenswert sind zum einen die verschiedenen Messinggarnituren auf der Trommelwand sowie deren Bemalung. Das Musikinstrument ist blau-schwarz geflammt und zeigt das Aargauer Wappen und ein Schriftband, das wohl den Militärmusikanten (Heinrich Gelbert) und das Bau- oder Übergabejahr der Trommel (1805) ausweist.
Trotz der Beschriftung ist die Trommel möglicherweise sogar einige Jahre vor 1805 zu datieren: Es ist nicht auszuschliessen, dass eine ältere Trommel mit den Aargauer Farben übermalt wurde. Unter dem Aargauer lässt sich womöglich gar das Berner Wappen mit Schrägbalken und Bärenumriss erahnen.
Ein Wappen für den jungen Aargau
1803 unterzeichnete Napoleon Bonaparte die sogenannte Mediationsakte, die die politische Struktur der Schweiz regelte, nachdem die Franzosen 1798 das Ende der Alten Eidgenossenschaft eingeleitet und die bis 1803 bestehende Helvetische Republik errichtet hatten. Mit der Akte erfolgte auch die Gründung der neuen Kantone Waadt, St. Gallen, Graubünden, Thurgau, Tessin und Aargau. Der neugeschaffene Kanton Aargau war ein regional wie konfessionell uneinheitliches Gebilde. Er setzte sich zusammen aus dem früheren Berner Aargau, den gemeinen Herrschaften Grafschaft Baden und Freiamt sowie dem Fricktal, das bis 1798 noch österreichisch gewesen war. Ein Wappen, das diesem neuen Kanton eine gemeinsame Identität geben sollte, wurde folglich von den kantonalen Behörden ohne historische Vorlage 1803 neu konzipiert.
Nach der geläufigsten Form stehen seine Elemente, weisser Fluss auf Schwarz und drei weisse Sterne auf blau, für die einzelnen Regionen und/oder Städte des Aargaus. Die Anzahl der Zacken der Sterne wurde erst später auf fünf standardisiert, wie die sechszackige Gestaltung auf der Trommel von Heinrich Gelbert zeigt. Auch zeigen frühe Beispiele des Wappens nur einen – anstelle der heute üblichen drei – Flüsse.
Die neue kantonale "corporate identity" der Truppen musste im Laufe des 19. Jahrhunderts allerdings schon bald einmal anderen, nun nationalen Befindlichkeiten weichen, insbesondere nach der Gründung der modernen Schweiz als Bundesstaat 1848. Der kantonalen Uniformenvielfalt sollte nun Einhalt geboten werden, und man war darauf bedacht, dass alle Soldaten der eidgenössischen Armee ein einheitliches Bild boten.
Kantonale Geschichte für 45 Franken
Die Trommel wurde 1893 dem Schweizerischen Landesmuseum in Zürich, selbst erst kurz zuvor gegründet, von einer Privatperson angeboten. Wer der Tambour Heinrich Gelbert genau war, der gemäss Inschrift 1805 für den Aargau trommelte, ist nicht überliefert. Das Landesmuseum vermittelte das Objekt an die "Geschichtsforschende Gesellschaft in Aarau", deren Sammelbestände später in die Sammlungen des (vormals Historischen) Museum Aargau und der Kantonsarchäologie gingen. Die Gesellschaft kaufte das sehr gut erhaltene Stück schliesslich für den Betrag von 45 Schweizer Franken, was heutzutage ungefähr einem Wert von 500 Franken entsprechen würde.
Obwohl die Trommel damals noch keine hundert Jahre alt war, war den rege sammelnden Geschichtsinteressierten des späten 19. Jahrhunderts ein Blick auf die Geschichte des Kantons Aargau und seiner Ursprünge also bereits Einiges wert.
Dieser Beitrag wurde im Juni 2019 von Michael Brunner, ehemaliger Praktikant der Sammlung von Museum Aargau, verfasst.
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