Im Juli 2023 wird vor den Schlosstoren von Hallwyl einen mittelalterlichen Bauernhof errichtet. Eine Gruppe Siedler zeigt authentisch den Bauernalltag auf einen Gutshof im 12. Jahrhundert.
Ein Gutshof ist nun aber kein herkömmlicher Bauernhof. Er war in direktem Besitz des lokalen Fürsten und war ein Knotenpunkt in der Verwaltung seines Territoriums. Es war Verwaltungssystem, an das auch heute noch die Familiennamen Meier und Keller erinnern.
Höfe als Verwaltungszentren
Wenn man an die Zentren fürstlicher Herrschaft denkt, kommt einem zuerst die Burg in den Sinn. Der Gutshof dagegen ist weitgehend unbekannt, obwohl er im mittelalterlichen Verwaltungsapparat eine wichtige Rolle einnahm.
Im 7. Jh. begann sich in Frankreich eine neue Verwaltungsstruktur auszubilden. Mehrere Bauernhöfe wurden zu einem Hofverband zusammengeschlossen, in dessen Zentrum ein herrschaftlicher Gutshof stand. In der Schweiz sind solche Hofverbände ab dem 8. Jh. nachweisbar und sie hielten sich bis ins 14. Jahrhundert. Während dieser Zeit bildeten Gutshöfe und Hofverbände nicht nur die Verwaltung fürstlicher, sondern auch kirchlicher Ländereien.
Der herrschaftliche Gutshof
Gutshöfe werden auch immer wieder Fronhöfe genannt. Sie waren in sehr unterschiedlichen Formen angelegt. Wichtig war ihre Verwaltungsposition, ihre Form war hingegen von der Grösse des Hofverbandes sowie den Bedürfnissen und Mitteln des Herrn abhängig. So konnte ein Gutshof zum Beispiel wie ein normaler Bauernhof aussehen. Andererseits gab es weitläufige Hofkomplexe mit Herrenhaus und mehreren Wirtschaftsgebäuden. Oft waren an solche Anlagen Kirchen angeschlossen, welche das Zentrum des religiösen Lebens des Hofverbandes waren. Zudem konnten grösserer Gutshöfe auch befestigt sein.
Umgeben war der Gutshof vom sogenannten Solland. Dabei handelte es sich um landwirtschaftliche Nutzflächen, die sich im direkten Besitz des lokalen Herren befanden und von diesem bewirtschaftet wurden.
Der Hofverband
Rund um den Gutshof gliederten sich die Bauernhöfe des Hofverbandes. Sie wurden von Bauern bewirtschaftet, die zum lokalen Grundherren in einem Abhängigkeitsverhältnis standen. Sie waren ihrem Herrn gegenüber zu Abgaben und zum Frondienst verpflichtet. Beim letzteren handelt es sich um obligatorische Arbeitseinsätze, welche die Bauern ihrem Herrn schuldig waren. Dabei mussten sie auf dem Solland des Herrn arbeiten oder sonstige Dienste verrichten.
Die meisten der Abgaben der Bauern waren landwirtschaftlichen Erzeugnisse. Handel mit Geld existierte zwar zu jener Zeit, auf lokaler Ebene herrschte aber noch der Austausch von Gütern und Dienstleistungen vor. Der Geldhandel gewann jedoch zunehmen an Bedeutung. Im 13. Und 14. Jh. begann er dann die Attraktivität des Hofverbandes zu untergraben. Grundherren bevorzugten es nun, die Abgaben der Bauern in Geld und nicht mehr in Gütern und Arbeit zu beziehen. So zogen sich die Herren zunehmend aus den Gutshöfen zurück, während die Hofverbände zu Dörfern zusammenwuchsen.
Meier und Keller
Auf den Gutshöfen beschäftigten die Grundherren eine Vielzahl an Personal, um den täglichen Betrieb des Hofes zu regeln. Dieses befand sich genau wie die Bauern in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Herrn.
Kernpositionen unter diesen Bediensteten nahmen der Meiger und der Cellerar ein. Der Meiger war der Leiter des Hofbetriebes, während der Cellerar für die Lagerung und Verteilung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse zuständig war. Von diesen Positionen im Hofverband leiten sich die heutigen Familiennamen Meier und Keller ab.
Der Gutshof war ein wichtiger Knotenpunkt in der mittelalterlichen Grundherrschaft. Er war der persönliche Hof des Grundbesitzers und war im Zentrum eines Hofverbandes. Die Bauern aus den umliegenden Höfen waren zu Abgaben und Fronarbeit auf den Feldern des Herren verpflichtet.
In dieser Form existierte dieses Verwaltungssystem in der Schweiz ab dem 8. Jh. Es war mehrere hundert Jahre ein integraler Bestandteil des mittelalterlichen Alltags. Erst im 13. und 14. Jh. wurde der Fronhof und der Hofverband durch die zunehmende Geldwirtschaft verdrängt.
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